Nicht mehr und nicht weniger

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Die Zeit zwischen der Trainings- und Yogastunde am Donnerstag schlag ich mir gern mit einem Kaffee und Franzbrötchen um die Ohren. Bäckereien auf dem Weg von einem Ort zum anderen gib´s ja genug und ich kann fast an allen Ecken meinen Zwischenstopp machen. Die Cafe´s der Bäckereien sind immer gut besucht und so bleibt es nicht aus, dass ich hier und da mal ein paar Gesprächsbrocken aufschnappe.

Als ich das Foto machte, war der Platz gegenüber auf der gestreiften Sitzbank leer, aber vor einer Woche schoben sich dort 2 Gäste auf die Plätze. Sie setzte sich mit dem Rücken zu mir und sah wie eine einfach Frau aus, fast wie eine graue Maus. Vielleicht wirkte sie auch nur so schlicht, weil ihr Begleiter super akkurat gekleidet war. Er sah aus wie ein mobiler Geschäftsmann. Dunkler Anzug und dunkelblauer Wintermantel ließen sein super gepflegtes Gesicht eher zart und zerbrechlich erscheinen. Er war noch jung an Jahren und sie war schon mitten drin. Als junger Mann wirkte er im düsteren Dress wie verkleidet und konserviert..

Sie setzten sich gegenüber und bei eine Tischbreite von 60 cm war er ihr nah. Vielleicht hielt sie deshalb die Tasse Kaffee, die sie mit an den Tisch brachte, während des Gespräches vor ihren Mund.

Er sah sie permanent an während er mit ihr sprach und sie nippte permanent an ihrem Kaffee. Sie stütze sich mit den Ellenbogen auf den Tisch und hielt so ihre Kaffeetasse auf Mund höhe. Seine Ellenbogen lagen auch auf dem Tisch, doch er stütze damit seinen Brustkorb, den er weit über den Tisch lehnte. Damit verringerte sich der Abstand zwischen ihm und ihr um gute 20 cm und sein Augenblick wären ihren Augen noch näher, als die Tischdistanz.

Fast könnte man glauben, sie wären verliebt und stünden sich besonders nahe oder ein unsichtbaren Band hält die beide zusammen. Und es gab etwas, was die beiden verband.

“Ich erwarte im nächsten Monat von Ihnen nicht mehr als 1 000 Punkte und das sie nur 10 Stück verkaufen” sprach er laut und deutlich. Diese Worte sprach er so laut und deutlich, dass ich es einen Tisch weiter gut hören konnte. So wie den Satz aussprach, hörte es sich an, als ob das die unterste Stufe der Erfüllung wäre, also nicht mehr aber auch nicht weniger.

Während er weiter auf die einredete, nickte sie eifrig und hielt weiter ihre Kaffeetasse an den Mund.  Es sah fast so aus, als hielt sie sich während der Unterhaltung an der Kaffeetasse fest. Er rede weiter auf sie ein, sah dabei abwechseln auf sie oder aus dem Fenster, jedoch waren die nachfolgenden Sätze leiser, ich hörte nichts mehr.

Aber ich hatte auch keine Zeit mehr und stellte meine leer Tasse in die Ablage um mich auf den Weg zu den Yogafrauen zu machen.

LaWe

creature - 5. Feb, 22:53

da stand einer unter druck und gab diesen an die frau weiter, die ärmste muß verkaufen, ob sie will oder nicht.
das wär kein job für mich, weder seiner noch ihrer!

Lange-Weile - 6. Feb, 11:15

Betteljob

Hallo Creature,

ja...so sah es auch aus. Er redete pausenlos auf die Frau ein und gab ihr wahrscheinlich Hinweise, wie sie am besten an die Kunden ran kommt. Vertrieb in Network hab ich auch schon mal versucht und ich hab mich aber schnell wieder davon gemacht. Weil man zuerst sozusagen den "warmen Markt" erschließen soll, geht man seinen Freunden und Verwandten auf den Keks und bettelt sie förmlich an, einem was abzukaufen.
Nur wenige schaffen es bis in die oberste Reihe, do, wo das Verdienen erst los geht. Die untere Schicht kommt kaum auf einen grünen Zweig und leidet unter Versagensänsgten.
Ne..ne...das ist ein harter Job

Gruß LaWe
bonanzaMARGOT - 7. Feb, 17:24

ich wollte niemals in der vertreter-branche arbeiten.
schon allein der gedanke, fremden menschen ein produkt mit allerlei tricks und überredungskunst anzudrehen, erweckt in mir ein übelkeitsgefühl. und dann gibt`s da oft noch eine fast sektiererische firmenphilosophie - die verkäufer sollen sich mit den produkten identifizieren ...; es werden seminare und selbstbeweihräucherungen veranstaltet, wo die besten und neu aufgestiegenen verkäufer ausgezeichnet werden.
materialismus wird gepredigt und durch menschen angebetet. und das system funktioniert! es ist in meinen augen widerlich.
ähnlich wie in der bankenwelt haben junge aufstrebende (meist) männer bereits führungspositionen inne ...
macht- und geldgeil werden sie hirngewaschen und auf die menschheit losgelassen. ich sehe sie, wenn ich mit der bahn reise, manchmal in gruppen oder alleine über ihrem laptop vertieft - sie sind die jünger des materialismus, einer entseelten welt, einer welt, die von verkaufszahlen, marktprognosen und karrieren bestimmt ist. der mammon ist ihr hauptgott. und sie zeigen es in ihrem auftreten - wie sie sich kleiden, wie sie reisen, und wie sie reden.

Lange-Weile - 8. Feb, 12:20

entseelte Menschen

Hallo Bo.,
also etwas sextenartiges haben die Firmen der Network-Marketing-Branche und Überkeitsanfälle bekam ich auch schon, als ich eine Veranstaltung ihre überdrehten Loghudeleien auf ihr Produkte besuchte. Der Brechreiz war kaum aufzuhalten und erinnerte mich fast an die Parteitage der SED. Damals jubelten die Menschen erwartungsgemäß der Führungsspitze zu und grad dieses System hatte man vor 20 Jahren zum Teufel gejagt.

Die Machart findest du im Network genau so wieder und sie versprechen dir das Himmelreich auf Erden, wenn du nur richtig zupackst.

Den Mammon hab ich erst gegoogelt, um den Sinn deiner Aussage zu verstehen. Aber er trifft den Kern im System.

Die Frau sah schon etwas durch den Wind aus und er schien schon "schwanzlos" zu sein. Daran erkennt man, wie sehr diese Arbeitsweise an die Substanz geht.

Ich habs mal versucht und bin nach dem Übelkeitsnafall geflüchtet, ne, ne...meine Seele laß ich mir nicht abkassieren.

Gruß LaWe
bonanzaMARGOT - 8. Feb, 14:34

hm, das prinzip ist überall sehr ähnlich: materialismus ist ebenso eine ideologie wie der gottglaube und der sozialismus.

ich verstehe nicht, warum den anderen nicht auch übel wird, wenn sie auf solchen "veranstaltungen" sind. stattdessen jubeln die kräftig, als ständen sie bereits nüchtern unter drogen.
ich verehre menschen, wenn sie was drauf haben, wirklich was drauf haben - als menschen mit ihren erfahrungen und weisheiten. nein, ich verehre sie nicht ..., aber ich achte sie sehr!
es sind nicht viele "größen", die ich achte, und meist sind es nicht die, die oben stehen - in politik, gesellschaft und kunst.
überhaupt sind mir menschen suspekt, die ihre klappe ständig aufreissen, um nach dem geschmack zu reden, der gerade en vogue ist. aber genau dies ist die "vertretermentalität" - es geht niemals um aufrichtigkeit, sondern nur noch darum, wie man sich mit einem produkt zusammen am besten verkaufen kann.
ich sehe das selbe prozedere in den kirchen und in den moscheen. wahrscheinlich auch in den synagogen. in allen tempeln, wo menschen zusammenkommen, um einer sache, einem geist, einem idol zu huldigen.

politiker sind heute vorallem vertreter. sie vertreten von legislaturperiode zu legislaturperiode irgendwelche zurechtgebastelten und schwammigen parteiprogramme ...
und keiner hat wirklich eine ahnung von dem, was er redet; und keiner steht wirklich dahinter.
Mr. Spott - 7. Feb, 22:44

Ich liebe diese Männer in den dunklen Anzügen.

Aber nur, wenn ich sie von hinten sehe.
Ansonsten kenne ich auch einige Leute, die, nachdem sie die Verwandtschaft abgegrast, sich es mit ihren Freunden verdorben haben und einen Teil ihrer Amway-Produkte selbst verbrauchten, nun bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit, den Rest der Ware verschenken.

Lange-Weile - 8. Feb, 12:26

Schneeballsystem

Hallo Mister Spott,

ja..stimmt. Die Verwand- und Bekanntschaft ist der erste Anlaufpunkt und das klappt eher selten. Meist bleiben sie auf den überteuerten Produkten sitzen und müssen sie selber verbrauchen.
Doch der nächste Neuling prescht wieder vor - er will aus der Arbeitslosigkeit - und versucht sich wie sein Vorgänger, der als armes Schwein das Unternehmen verlies.

Das mit dem Verlassen ist auch nicht so einfach, denn sie gehören ja zu einem Schneeballsystem und hinterlassen Löcher. Bevor man ihn ziehen läßt, wird ihn noch anständig ins schlechte Gewissen geredet.

Geschenke von Amway standen bei meiner Mutter noch 10 Jahre im Abstellraum, die Produkte haben nicht mal als Geschenk überzeugt.

Gruß LaWe

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