du bist wieder frei

Als ich vorgestern zurück gezogen in meinem Zimmer saß, klingelte es an der Tür. In dem Falle geh ich immer davon aus, das Sohnemann Besuch bekommt und ich hebe gar nicht erst meinen Hinter. Es dauert auch nicht lange, da geht Sohnemann an die Tür. Der Zufall will, dass ich unter dem leicht geöffneten Fenster sitze und ich kann mithören, was der Fremde an der Tür möchte.

Er stellt sich mit Namen vor und bittet Sohnemann doch mal zu ihm nach draußen zu kommen. "Ok" sagt Sohnemann, denn in meinem Rücken ist die Wohnungstür, ich kann auch hören, was er sagt. "OK" denke ich, die kennen sich dann wohl. Trotzdem werfe ich einen Blick auf den Eingangsbereich, von dem sich ein stämmiger Mann entfernt und Richtung Auto geht. Ich sehe ihn mit kritischen Augen an und überlege für einen Moment, ob ich eingreifen soll. Mein Beschützer-Instinkt als Mutter läuft auf Hochtouren und läßt schon mal ein kleines rotes Lämpchen flaggern.

Wenig später geht Sohnemann raus und steuert auf das Auto zu, in dem der stämmige Mann schon sitzt und auf ihn wartet. Meine Adleraugen bleiben am Auto und ich ringe mit mir, ob ich mit einem Tiger-Gebrüll das Auto stürme um meinen Sohn rauszureißen.
Doch ich verdränge mein Verlangen, statt dessen laufe ich wie ein Tiger im Käfig am Fenster auf und ab und warte, das Sohnemann das Auto wieder verlässt. Aber er sitzt und sitzt und sitzt und sitzt.

Mein Geduld steht unter Stress, dann kommt Sohnemann wieder zurück ins Haus, während der Fremde im Auto sitzen bleibt und keine Anstalten macht, wieder ab zufahren.

Kaum dreht sich der Schlüssel von Sohnemann in Schloß, spring ich wie ein Tiger auf den Flur und verlange eine Erklärung. "Das ist gar nicht gut" antwortet Sohnemann mir. Das finde ich auch, denn sonst tischt er mir heldenhaft einen kleinen Schwindel auf, damit er vor mir immer noch als Held dazustehen. Doch diesmal tut er es nicht, sondern er macht eher einen blassen Eindruck auf mich, der auf einen riesen Schrecken hinweist. In meinem Kopf rasen Gedanken von Geld eintreibenden Dealern, die mit extremen Drohgebärden ihr Geld einfordern. Der Raum der Spekulation ist unendlich.

"Das sieht nicht gut aus" antwortet Sohnemann noch mal und sortiert hinter seinem Vorhang zwischen seinen CD´s. "Ich muss nur noch was rausbringen" und schon verschwindet er mit 2 CD´s in der Hand wieder Richtung Auto. Meine Adleraugen kleben noch am Auto, als Sohnemann wieder Richtung Wohnung geht.

Kaum ist er wieder zurück, springe ich ihm förmlich ins Gesicht, ich will eine Erklärung, er sieht immer noch blass aus. Zwar ist die Blässe nicht so, als hätte er ein Gespenst gesehen, aber er muss nahe dran gewesen sein.
"Der kam von Video-Verleih und hat sich zwei Spiele geholt. Die hab ich ganz und gar vergessen". Es macht Ratter in einem Kopf - wie in einer Uhr in der die Zugfeder überspannt wurde - und ich sehe nur noch rot - rote Zahlen ohne Ende. Wenn der Verleier direkt ins Haus kommt und sich die Dinger persönlich abholt, geht es nicht nur um ein paar Tage.

Sohnemann will den "Schon- Waschgang" mit mir fahren und gibt Stufenweise seine Schulden zu, die er dem verleih jetzt schuldet. Er beginnt bei 50 Euro, setzt dann noch einen drauf, dann noch einen und dann noch einen - bis ich fast 200 Euro geschluckt habe. "Wir haben Ratenzahlung vereinbahrt" tröstet mich Sohnemann. Wir beide wissen, dass er dieser Verpflichtung nicht nachkommen kann.

"Naja - das ist ja sein Ding" damit will ich mich wieder runterschalten, doch als ich am Abend heimkehre, klingelt das Telefon. Es ist der stämmige Mann, der an der Wohnungstür geklingelt hatte. Er möchte wissen, wann Sohnemann die erste Rate zahlen kann und dann erklärt er mir, dass sie die säumigen Jugendlichen aufsuchen, bevor sie die Mahnung anein Inkasso-Dienst weiter reichen.

Der Mann auf der anderen Seite ist nett und wir suchen gemeinsam einen Weg, wie wir das "Kind" aus der Scheiße ziehen. "Ein bisschen kann ich ja nachlassen, wenn sie das Geld komplett einzahlen können". Wir unterhalten uns noch weiter über Gott und die Welt, ich darf noch sein Alter schätzen und hab ihn viel jünger geschätzt, als er ist, dann verabreden wir uns für den nächsten Tag in der Videothek. Er wartet schon auf mich und ich trage schweren Herzens das Geld, dass ich nun in den Wind schreiben kann, ins Haus, brauche fast eine moralische Stütze.

Der gute Mann rechtet mir noch einmal - wegen Recht und Ordnung - die Verleih- Gebühren vor und sagt: "Ich lasse ihnen 50 Euro nach, weil wir uns gestern so gut unterhalten haben" Erleichtert ziehe ich einen Fuffi wieder ein. Kaum vor der Tür hole ich mein Handy aus der Tasche und rufe Sohnemann an: "Du bist wieder frei"

LaWe

punctum (Gast) - 1. Jul, 14:32

Oh, da kann er aber wirklich dankbar für seine Mutter sein. Ich weiß auch nicht, wie man es richtig macht - aber ich hätte wohl auch so gehandelt (und immerhin scheint die Videothek anständig zu sein).

bonanzaMARGOT - 1. Jul, 14:42

ja, die sohnemänner - bin ja selbst einer, der froh war, wenn die eltern halfen, dass man wieder "frei" war.
Lange-Weile - 3. Jul, 09:46

ausschwitzen

Hallo Punctum, hallo Bo.
ja....sie haben extra diesen Herren dafür ausgesucht, damit er mit den Säumlingen redet und nach Möglichkeiten sucht, die zugespitze Sache zuentschärfen.
Leider springen die Mütter zu schnell ein - Mutter ist Mutter - holen die Söhne aus dem Sumpf, doch ob´s für ihre Entwicklung gut ist, weiß ich nicht. Denn sie müssen nicht wirklich etwas ausschwitzen.
Nun ist es eine Frage der Ehre für ihn, ob er mir das Geld wieder zurück zahlt. Dafür müßte er auf zahlreiche Wünsche verzichten ;-)

Gruß LaWe
bonanzaMARGOT - 3. Jul, 10:20

früher oder später muss er doch die scheiße, die er sich einbrockt, selber auslöffeln. das kommt noch.
Lange-Weile - 3. Jul, 20:23

Glaube an Gott :-)

dein Wort in Gottes Gehörgang und ich hoffe, er hört es bald :-)

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