damals ist nicht heut

Vor einiger Zeit las ich von Horst Bosetzky den 3 Teiler seiner Autobiographie. Es ist ein Roman über das Schlüsselkindes Manfred.

Das 1. Buch - "Brennholz für Kartoffelschalen" - ein kleiner Junge - dessen Abenteuerwelt spielte sich zwischen den Nachkriegstrümmer von Berlin ab.

Das 2. Buch befaßte sich mit dem Leben des Jungen bis zur Pubertät - Capri und Kartoffelpuffer. Obwohl die Jungendzeit damals eher von Armut und Improvisations geprägt war, waren die Jugendlichen glücklich. Ihre Fantasiewelt war gefragt um eine Spielwelt zu schaffen, die sie ähnlich wie ein Theaterstück selbst inzinierten. Auf diese Weise verschafften sie sich ihre eigene Welt, in der sie für´s Leben lernen und sich ausprobieren konnten.

Das 3. Buch beschäftigt sich mit seinem Einstieg in die Erwachsenen Welt und den gestiegenen Wohlstand erkennt man schon am Titel : "Champagner und Kartoffelchips". Aus dem Judendlichen wurde ein Erwachsener und er wurde Anstellter von Siemens - der Übergang ist unspektrakulär.

Als ich die Bücher ausgelesen und bei Seite legte, schwebte ich noch tagelang in der Welt des Jungendlichen, der kein anderer war, als Horst Bosetzky selbst. Irgendwie zu beneiden. Obwohl er eine Kindheit im Bruch und der Armut der Nachkriegszeit verbringen mußte, muss er ein glückliches Kind gewesen sein.

Wenn ich von diesem glücklichen Jungen auf das Monsterkind Tim K.einen Bogen schlagen soll, komm ich nicht umhin, dabei in die Luft zu gehen. Was treibt einen jungen Menschen wie ihm derart auszurasten, dass er mit sich noch viele andere in dem Tod reist??

Was fehlt überhaupt vielen unserer Jugendlichen in ihren Kinderjahren, dass einige von ihnen zu Tyrannen und Monster werden?

Warum können Kinder des Wohlstandes nicht so glücklich werden, wie die Kinder der Armut der vergangenen Jahre?

Vielleicht weil diese Generation keine Wünsche und Sehnsüchte mehr hat, weil der Konsum und virtuellen Spiele ihre kleine Fantasiewelt bis unter die Gürtellienie ausgehöhlt hat?

Sind es Hilfeschreie der Jungend, die unter diesen Bedingungen nicht mehr erwachsen werden können, weil sie nie eine Reife erlangen werden?

In meinem Kopf rasen tausende von Fragen immer dann wenn ein internationaler Aufschrei um die Welt hallt, weil wieder mal ein Kind derart ausgerastet ist, das sich und alles sich herum lieber in Schutt und Asche erleben will, als wirklich zu leben.

Damals ist nicht heut, aber was ist heut anders als damals?
LaWe
rosenherz - 16. Mär, 17:05

Vielleicht war er zutiefst aussichtslos wegen etwas, über das er mit niemanden (vertrauensvoll) reden konnte. In Wohlstand leben bedeutet lange noch nicht, dass der materielle Wohlstand mit einem emotionalen Wohlstand einhergeht.
Ich kann mir auch vorstellen, wie verzweifelt Jugendliche in ihrer Seele heutzutage sein können, wenn sie angesichts von Klimawandel, Arbeitslosigkeit, schulischen Anforderungen, Perspektivlosigkeit in der Stadt oder der nach wie vor weltweiten Ausbeutung von Ressourcen alles andere als glücklich heranwachsende Menschen sind. Auch wenn sie jung sind, sehen sie wie die Gesellschaft sich entwickelt, wo die Misstände liegen, wer davon betroffen ist und wie wenig sich trotz schöner Reden ändert, wenn es darum geht dem Hunger in der Welt ein Ende zu setzen oder einen der 46 weltweit grassierenden Kriege zu beenden.
Ist einmal eine Art Perspektivlosigkeit in der Seele eingetreten, was bedeutet es da schon zu leben oder zu sterben? Ich kann das recht gut nachvollziehen, wenn ein junger Mensch heutzutage nichts anzufangen weiß in dieser Welt, die von Lügen, Machtansprüchen und Missständen durchzogen ist. Was nützt da ein warmes Bett, eine schönes Zimmer, eine gute Mahlzeit oder eine wohlgesittete Wohngegend?

Stueck - 16. Mär, 19:47

Ich glaube Rosenherz liegt ganz richtig diese Gedanken kommen mir auch.
creature - 17. Mär, 11:21

nicht nur heute, auch in den 60ern war es so.
ich bin in meiner jugend aus weltschmerz und empörung über die kriegsbilder im tv zum steinewerfenden, demonstrierenden jugendlichen geworden und wurde auch von der polizei geschlagen und eingesperrt, selbst heute noch bedauere ich meine taten nicht, als junger hast du das recht für eine bessere zukunft zu kämpfen!
ich habe immer noch große symphatie für vereine wie greenpeace, amnesty intern., reporter ohne grenzen, attak etc.
rosenherz - 17. Mär, 11:40

Ich denke, die Jugendlichen spüren den Weltschmerz oder die Empörung noch und bringen as in irgendeiner sichtbaren Form zum Ausdruck, während sich mit 30 oder 40 oder 50 Jahren der Schmerz hinter der Routine der Arbeit, Depression, Isolierung, Krankheit, Vereinsamung in der Stadt, Sucht oder Mobbingverhalten verbirgt.
Lange-Weile - 20. Mär, 14:03

eingebrannt

Hallo Rosenherz, Stück und Creature
ich denke auch, hat sich erst eine wahrgenommene negative Realität im Kopf eingebrannt, dann ich es schwer, diese wieder positiv umzuschreiben.

Auf der anderen Seite lässt es sich mit einer ausgehöhlten Seele nicht leben und sie mündet für manchen vor dem großen Knall mit der Abschlussaussage:
"Lieber das Sterben erleben, als das Leben ersterben"

Gruß LaWe
Lo - 16. Mär, 23:20

Du hast mich neugierig gemacht!
Ich liebe solche Geschichten.
Morgen besorge ich mir das erste Buch.
Und Du bist schuld! :-)
Danke.

rosenherz - 17. Mär, 09:12

Da kann ich mich Lo anschließen, du hast neugierig gemacht auf den angeführten Autor und seine Bücher. Ich hatte bisher noch nie etwas von ihm gehört gehabt.
Lange-Weile - 20. Mär, 14:05

Wiedergefunden

Hallo LO,

ich hoffe, die Bücher unterhalten dich so gut wie mich. Zumindest fand ich viele Abenteuer und auch das Lebensgefühl von damals in diesem Buch wieder.

Ich wünsche dir noch ein schönes Wochenende

Gruß LaWe

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