bunt ist das leben
Die Ferien in MeckPom sind vorbei. Die Kinder versammeln sich wieder vor der Sporthalle, die Lust darauf haben, Sport zumachen. Einige von ihnen sind noch zu klein, um allein vom Hort zur Sporthalle zu gehen. Deshalb holen wir Trainer sie ab. So kommt es, dass ich an den Trainingstagen mit einem Pulk Kinder durch die Stadt.
Vielleicht ist deshalb die Bindung zu den Kindern etwas inniger, als zu anderen Kindern. Geh ich durch Groß Klein ruft es von jeder Ecke “Hallo Frau H….” und Kinderhände winken mir zu. Ein bisschen geschmeichelt winke ich den Kleinen zurück oder wechsel ein paar Worte mit ihnen, wenn ich nah genug dran bin.
Mit einem kleinen Mädchen hab ich einen besonders langen Weg zur Sporthalle. Das ist eine gute Zeit zum erzählen. Die Kleine ist nicht viel größer als ihre Schultasche und doch voller Leben. Als zwei Jungs an uns vorbei radelten, warf sie einem von den beiden einen liebevollen Blick zu. “Kennst du den"? “ frag ich sie. “Jaa….und ich mag ihn. Manchmal will ich ihn auch drücken, doch dann läuft er weg” beklagt sie sich. “Mag er das denn nicht?” frag ich sie. “Ich glaub schon. Aber er schämt sich” schätzt die Kleine ein. Dann macht sie einen Schwenk und erzählt mir was von Russen, die sich nicht mag. “Aber warum magst du sie nicht” fragt ich und hoffe auf einen Einblick in ihre Einschätzung. “Sie sprechen deutsch aber sind nicht in echt deutsch. das mag ich nicht” “Was sind denn überhaupt Russen?” frag ich sie. “Na die kommen aus England vom Eifelturm in Paris” Aha…alles klar.“Stell dir mal vor, du lebst in England und sprichst deutsch. was würdest du sagen wenn die anderen dich deshalb nicht mögen?” Das fand die Kleine nicht gut und sie wäre traurig, sagte sie mir. “Ja..so traurig werden sicher auch die Russen sein” versuche ich ihr einen Zusammenhang herzustellen.
Die Trainingsstunde beginnt und die Kleinen laufen durch die Halle wie der Wind. Die Ferienwoche hat sich schon bemerkbar gemacht – sie schnaufen nach kurzer Zeit doch genau so schnell haben sie sich erholt.
Ich entscheide mich fürs Lauftraining. Grade auslaufen ist immer ein gutes Mittel, wenn die kleinen im Kopf etwas quirlig sind.
“DU bist mein Hilfstrainer” lege ich fest. Sie ist 8 Jahre und schon 4 Jahre in der Gruppe,d.h. sie ist am längsten dabei. Weil mein Co-Trainer nicht da ist, ich ein Hilfstrainer aus der Gruppe sinnvoll. Sie freut sich, dass sie diese Aufgabe bekommt. Die Kleine war in den letzten Wochen traurig und wütend zu gleich. So nebenbei erfuhr ich, dass ihre Eltern sich trennten und der Vater die Wohnung verlassen hat. Die Kleine kam wegen jeder kleinen Beule zu mir und wollte behandelt werden. Für keins der anderen Kinder hab ich so viele Trostpflaster verbraucht. Ich glaube, die meisten Pflaster, die sie von mir bekam, war für ihre kleine Seele.
Die Kleine unterstützt mich zuverlässig und so kann ich störungsfrei mein Trainingsprogramm abarbeiten. Deshalb ist noch Zeit, für freie Spielzeit. Diese lieben die Kinder über alles. Grüppchenweise verziehen sie sich in alle Ecken der Halle und spielen mit allem, was die Sporthalle zu bieten hat. Die Kinder spielen und ich räume die schweren Hocker beiseite, als plötzlich ein Vater in der Hale steht. Er fragte mich, ob er den Beitrag für seine Tochter in bar oder per Überweisung zahlen sollte. Er wäre der Vater von S. – meiner Hilfstrainerin - . Als die Kleine ihren Papa sieht, tönte ihr Freudenschrei durch die Halle. “Paaaaaaapppaaaaaaa” lief sie ihm entgegen. Die herzliche Begrüßung zog sich über ein paar Minuten hin. Die Kleine holte ein Buch und setze sich mit ihrem Vater in die Ecke und las ihn daraus vor, während sie anderen Kinder weiter mit ihrem Spiel beschäftig waren.
“10 9 8 7 6....mein Count-down zum Abschluss der Stunde töne ich laut durch die Halle. Diese Zeit nutzen die Kinder, um die Halle wieder aufzuräumen und sich zur Verabschiedung zu versammeln.
“Gucken sie mal, Frau H..” Meine kleine Hilfstrainerin lässt sich von ihrem Vater durch die Luft wirbeln. Ich kenne den Vater schon vor der Trennung, doch seine Verletzlichkeit sah ich erst jetzt.
Ich verabschiede die Kinder und schicke alle aus der Halle – die Handballern stehen schon in der Tür.
Damit die Kinder in der Umkleide im erzählen nicht stecken bleiben, treiben wir Trainer sie immer ein wenig an, d.h. wir schauen alle paar Minuten in die Umkleide. Die Kleine hat ihren Vater noch mit in die Umkleide genommen und verlies überglücklich mit ihrem Papa die Halle.
An diesem Tag brauchte sie kein Trostpflaster von mir und die neu gekaufte Packung blieb für diesem Tag ungeöffnet.
LaWe
Es ist so schön, das Vertrauen der Kleinen zu spüren und ich muß sagen: Nicht viel geht über das warme Gefühl, das entsteht, wenn ich zur Aufgabenbetreuung komme und mir ein laut jubelndes "Kiiiiinkaaaa!" entgegenschallt.
Oder wenn mir ein Kind, mit dem ich erst einmal gelernt habe, beim nächsten Mal schon beim Betreten des Lernlokals um den Hals fällt. Das geht bis auf den Grund meines Herzens, denn es machen nicht alle Kinder und nur allzuoft stellt sich später raus, daß genau dieses Kind zu Hause sehr vernachlässigt oder auch geschlagen wird. Und sie wissen, wo sie sich eine liebevolle Umarmung holen können und dürsten förmlich danach.
Ich gebe zu, es schmeichelt auch mir, denn sie machen das lange nicht bei allen Mitarbeitern.
Wir arbeiten hauptsächlich mit Kindern mit Migrationshintergrund und es ist erschreckend, wie rassistisch gerade diese oft sind. Ich kann das so gar nicht nachvollziehen, denn gerade sie bzw. ihre Eltern wissen doch aus erster Hand, wie es ist, von zu Hause weg in ein fremdes Land zu müssen und wie schief man von den "Eingeborenen" oft angesehen wird.
Trotzdem gibt es massive Differenzen zwischen verschiedenen Volksgruppen - es war z.B.: kaum möglich, einen farbigen Buben mitzubetreuen, da er bei jedem Schritt in den Hof fast verprügelt wurde und es auch beim Lernen immer wieder zu Auslachen und Streitgesprächen über den Tisch kam.
Sehr traurig, das mitanzusehen. Und zu sehen, daß man kaum durchdringt, um diese Einstellung auszumerzen.
lg Kinker
P.S.: Leider kann ich in deinem Post die ersten paar Zeilen nicht lesen.
Erst ab "...durch die Stadt. Vielleicht ist deshalb die Bindung zu den Kindern etwas inniger, als zu anderen Kindern. ..."
noch ist es Nachgeplapper
ich nehme an, dass dein Browser wieder die alten Cookies verwendet und auf das alte Layout meinen Blog darstellt. Wenn du die alten Cookies löscht, dann übernimmt der Browser das neue Layout.
Ich denke die Völkerwanderung ist für jeden schwierig. Verschiedene Kulturen, die entweder aufeinander treffen oder verlassen werden müssen und neue angenommen werden müssen. Das bringt die Menschen durcheinander. Wenn ich keine wirkliche Beziehung zu dem Land und dessen Kultur habe, dann läuft es mit der Intergradtion sicher nicht so ab, wie man es gerne hätte. Der Verstand sagt das eine, der Herz was ganz anderes und dann sind da noch die Wuzeln, die jeder noch hat und ihn an alten Kulturen bindet. Ich stelle mir vor, dass ich in solchen einer Situation mich eher haltlos fühlen würde, also ein Mensch, ohne Boden unter den Füßen.
Die Kleine in meiner Gruppe geht seid ein paar Monaten zur Schule und ich denke, das hat sie von anderen aufgegriffen und plappert es einfach so nach. In der Sportgruppe wird sie sogar von einem Russen unter seine Fittiche genommen. Sie spielt mit ihm und lässt sich von ihm trösten, wenn die Tränen fließen. D.h. sie kann noch keinen Zusammenhang zu Menschen herstellen, die in ihrem Umfeld sind.
Seid ein paar Monaten haben wir auch Kinder, dessen Eltern aus Afrika nach Deutschland gekommen waren. Wie zu erwarten, fingen einige Der Gruppe sofort mit der Hackordnung an. Intuitiv wissen die Kinder wohl, dass diese Menschen in unserer Gesellschaft einen schwächeren Status haben.
Als Trainer nehmen wir uns die "schwarzen Schafe", die den Rassismus kultivieren wollen, vor und dann geben sie den "Beschuss" nach kurzer Zeit auf.
Ich hatte auch Kinder aus der Ukraine und Kasachstan. Das ging gar nicht. Sie waren noch nicht in der Sporthalle, die war der erste Krieg von Zaum gebrochen. Jeder kannte den empfindlichen Punkt des anderen und setzte genau das an. Bei diesen Jungs ging es ausschließlich um ihre Ehre. Da stand ich hilfslos daneben, könnte nichts machen.
Aber ich denke mir, weil die Menschen aus diesem Ländern ihre Muttererde heilig sprechen, die ja nicht mehr unter ihren Füßen haben, entlädt sich der Verlustschmerz auf andere Gebiete. Dazu kommt, das die Eltern kein deutsches Wort konnten und die Kinder die Aufgabe als Dolmetscher übernehmen mussten. Die Kinder waren mehrfach und hoffnungslos überfordert.
Aber die Völkerwanderung geht weiter, weil die Menschen eben bei uns ihr Glück erhoffen. In meiner Gegend spricht fast jeder zweite russisch und das macht sich dann auch bei den Kindern bemerkbar.
Ich wünsche dir noch eine schöne Woche
LG LaWe