Kleiner Mann ganz groß

Der Brief muß heut noch raus, deshalb reihe ich mich in die Warteschlange der wartenden Postkunden ein und nutze die Zeit für meine Gedankengänge.

"Irgendwie macht hier alles einen trostlosen Eindruck. Die Luft (Lust) scheint bei den Postkunden wie bei den Angestellten irgenwie raus zu sein. Die Betriebsamkeit der vergangenen Jahre ist dahin, abgelöst von Telefon und Internet und erhöhten Beförderungsgebühren".

Doch einige Päckchen und Briefe müssen zum Glück der Post doch noch den alten Postweg nehmen, auch mein Brief. Geduldig warte ich weiter, bis ich dran bin.

Die große Uhr über den Köpfen der Angestellten verführt mich zu einer kleinen Abrechnung mit alten Zeiten. Vier Kunden wurden in dieser Zeit von zwei Mitarbeitern in 5 Minuten abgefertigt. Das macht pro Kunde etwas mehr als 2 Minuten und das bei der computergesteuerten technischen Ausstattung der Schalter. Damals, als es noch Briefmarken gab, ging alles RatzFatz. Heut müssen die Mitarbeiter warten, bis die Technik die eingebenen Daten alle geschluckt, errechnet und verarbeitet hat. Erst dann kommt mit einem Schnurren ein kleiner weißer Zettel - ein Briefmarkenähnliches Gebilde - aus einem kleinen Kasten und das zweite Schnurren bringt den Beleg zum Vorschein.

Mit ernsten und ausdruckslosen Gesichtern arbeiten die Angestellten die Kunden ab. Niemand kann ihnen nachsagen, sie arbeiten nicht konzentriert.

Das schweigende Warten und Arbeiten wird von zügigen Schritten, die zur Tür herein kommen, je unterbrochen. Mit wichtigen Gesicht und einem großen Zettel in der Hand kommt ein Dreikäsehoch in Kundenraum. Zielgerichtet und plappernd - in Kleinkinddeutsch - geht der Kleine zum Schalter an uns Wartenden vorbei. Überrascht und erstaunt zugleich, machen wir ihm alle Platz. Wer so zügig zum Schalter geht, muß etwas wichtiges haben. Ich spitze meine Ohren. Obwohl er laut genug spricht, ich verstehe kein Wort.

Plappernd erreicht er den Schalter und legt den großen Zette der Postangestellten auf den Thresen. Das Gesicht der Kollegin hellt sich auf. "Oh, du hast mir ein Bild gemalt" sagt sie hocherfreut. "Ja" sagt der kleine Dreikäsehoch und schaut zu ihr nach oben.

Die Postanstellte läßt den Kunden, den sie grad abfertigt, erst einmal links liegen und verschwindet in einen hinteren Raum. Kurze Zeit später ist sie wieder da und überreicht dem kleinen ein Bonbon.

Der Kleine nimmt den Bonbon mit einem wichtigen Gesicht entgegen, geht mit zügigen Schritten und unverständlichen Geplapper an uns Wartenden wieder vorbei und verläßt den Raum und das Gebäude genau so plötzlich, wie er kam.......
LaWe

Sanielle - 1. Sep, 18:55

Manchmal

sollte man die Welt doch wieder einmal mit Kinderaugen sehen. Sie war so viel bunter, aufregender und freundlicher. Diese Momente lassen einem doch kurz innehalten und nachdenken. Momente, die immer wieder zu kurz kommen.

Liebe Grüsse
Sanielle

Lange-Weile - 1. Sep, 21:25

Respekt

Hallo Sanelle,

das stimmt. Für den Kleinen war es das normalste von der Welt, der Schalterfrau sein selbstgemalten Bild zu überreichen.
Wir Erwachsenen sahen ihm mit Respekt zu.

Gruß LaWe

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