Ausbruch mit Einbrüche (4)

Der Weg für meinen Sohn ins Leben soll frei sein - frei von dem schlechten Gewissen, dass er hat seine Oma sitzen lassen.

Doch Oma leidet sehr unter dem Entzug von ihrem Enkelkind, doch diesen zu bewältigen liegt nur in ihrer Macht..........

.....der Kontakt zwischen Enkelkind und Oma bricht ab, der Kontakt zwischen Mutter und Oma ruht. Die überbrückbare Distanz hat sich zu einem tiefen Graben entwickelt, der mit einem saloppen Schritt nicht mehr zu überwinden ist. Alles wurde gesagt, weitere Gespräche rasten in eine Wiederholungsschleife ein und es droht die Abnutzung der Worte, bevor sie Früchte tragen. Von nun an ist das Schweigen im Wald" in unserer Kommunikation vorherrschend.

Doch meine Gedanken bleiben bei der Oma. Wird sie es schaffen? Wird sie sich ab-Nabeln können? Kann sie den Schritt nachvollziehen, den ihr Enkelkind schon lange vor ihr machte?

Das Enkelkind zieht von nun an seine Bahnen, als hätte man ihn aus einem viel zu engen Käfig befreit. Jetzt kann er über die "Strenge" schlagen, ohne dass das schlechte Gewissen sein ständiger Begleiter ist. Er kann mit seinen Kumpels um die Häuser ziehen, ohne das Oma seine Freunde auf ihrem Handy alamiert: "Wo bleibt der Jung?"

Von nun an keine Auseinandersetzungen mehr? Oh doch, nun stehe ich als Mutter mit fragenden Augen da. "Wo warst du so lange?" Und er tischt mir eine abenteuerliche Geschichte auf. "Oh mein Gott" antworte ich darauf und glaube jedes Wort d.h. so sieht es für meinen Sohn aus. Nach kurzer Zeit folgt die neue Geschichte - überarbeitet und gestrichen der abenteuerliche Teil für das Zuspätkommen. Ich glaube auch die zweite Variante und spüre die Blicke meines Sohnes im Rücken. Er beobachtet mich, wartet auf eine Reaktion von mir. Als nichts geschieht rückt er mit der Wahrheit raus, erzählt mir erleichtert die Wahrheit.

Ich registriere - 3 Anläufe bevor ich die Wahrheit erfahre. Ich erkenne, die Wahrheit muß ich mir erst verdienen, doch erleichtert und entlastet ihn.

Mein Sohn registriert - Mutter kann die Wahrheit auch ohne Ausraster vertragen und erkennt, er muß keine Lügengebäude mehr bauen.

Die Kumpels stehen nun im Mittelpunkt des Lebens. Sofort nach der Schule geht es los und ab durch die Mitte. Mit dem Skateboard unter dem Arm ziehen sie lum die Häuder und lassen auch die Schulwelt hinter sich. Das geht nicht gut, die Rechnung am Schuljahresende ist sicher und in die Wiederholungsschleife aufgelegt.

So ziehen die Tage und Wochen dahin. Oma ist weiter durch den tiefen Graben von ihrem Enkelkind getrennt, die Funkstille hält weiter an. Ich sinne nach einer Lösung, suche den Weg zu einer Brücke, die die Verbindung wieder herstellt und verlasse mich auf mein Gefühl für den richtigen Zeitpunkt.

Eine absolute Trennung liegt nicht in meinem Sinn, sie kann die Lösung nicht sein.

Fast täglich kommt der erschütternde Moment in meine Erinnerung, damals, als die Nachricht bei mir eintraf. Ich war auf Arbeit, als das Telefon klingelte. Auf der anderen Seite die gefaßte Stimme der Oma "Wir haben eine schwere Nacht gehabt" und ich nahm an, ein schwerer Asthma-Anfall hätte sie erschüttert. Doch dann setzte sie weiter fort :"O. ist gestorben". "Neeeeeeeeeeiiiiiiiinnnnnn" höre ich mich schreien. Er war doch grad erst 40ig geworden. Ich dem Alter stirbt doch kein Mensch und schon gar nicht ein Kerl wie ein Baum. Ich gerate aus der Fassung, unser Sohn. mein Sohn eine Halbwaise, wieder ein Kind, das ohne Vater aufwachsen muß.

Noch lange nach seinem Tod quält mich eine schreckliche Pein.

Der Alkoholismus seines Vater´s war mörderisch für alle, die mit ihm lebten. Wenige Jahre vorher mußte ich mich entscheiden. Entweder ich gehe als Partner eines Alkoholkranken in seiner Sucht mit unter oder ich kümmere mich nur um unseren Sohn. Eine trockene Alkoholikerin riet mir, mich nur um das Kind zu kümmern. Ich folgte ihrem Rat und zog mich zurück. Der Schnitt mußte konsequent sein und das schloß auch alle Gespräche miteinander ein. Irgendwann hätte ich wieder Mitleid mit dem Vater meines Sohnes gehabt und er hätte auf der Suche nach seinen Weg aus dem Alkoholismaus abgebrochen. Ich sprach mit ihm kein Wort mehr, blieb hart und konsequent bis zum Schluß. Seine tief traurigen Blicke verfolgen mich nach lange, doch ich wollte mich nicht mehr erweichen lassen. Meine Abkehr sollte ihn wach machen und den Weg zum trockenen Alkoholiker bereiten.

Als dann die Nachricht von seinem Tod eintraf kam nach meinem Schrei des Entsetzens der Selbstvorwurf "Und ich hab nicht mehr mit ihm gesprochen. Er ist mit dem Wissen gestorben, dass ich allezeit mit ihm böse bin" Doch es gab keine Möglichkeit mehr ihm zu sagen, warum ich damals nicht mehr mit im sprach, warum ich den unüberbrückbaren Graben zwischen uns offen hielt. Es war der Schutz seines Sohnes vor den Anblick eines Dellirium seines Vaters. Der Sohn sollte seinen Vater niemals als Kreatur erleben.

Doch diese Art Trennung von der Oma wollte ich meinem Sohn und mir ersparen. Eine, die sich aus einem plötzlichen Tod ergab und in Selbstvorwürfen mündet. Die Oma ist fast 70 und krank. Der Entzug vom Enkelsohn setzt ihr mental zu. Das kann aufŽs Herz gehen und dem Leben ein plötzliches Ende setzen. Ich sinne nach einer Möglichkeit, den Graben zwischen Oma und Enkelkind mit einer tragfähigen Brücke begehbar zu machen..........

LaWe
ChaosLady - 30. Aug, 20:53

du kluge starke mama. ich muss dich mal umarmen ... wenn auch nur hier und virtuell! jeden buchstaben sauge ich auf und ich bewundere euch beide ...

Lange-Weile - 31. Aug, 19:11

Lasten

Hallo Chaoslady,

...so ein bißchen schwillt mir dir Brust ;-) dein Kompliment für mich als Mama läßt mich fast erröten.
Aber es hat sich in der Tat alles so abgespielt und es dauerte Monate, bis sich die Beziehung wieder normal anfühlte.

Mein Sohn ist der einzige Nachkomme ihres verstorbenden Sohnes, der noch obendrein in ihren Armen starb. Die Erschütterung war so schwer, dass die Oma ihre Verlustängste auf das Enkelkind übertrug.

Doch der Schnitt mußte sein, damit mein Sohn nicht ein Last aufgebürdet bekam, die nicht seine war.

Ich drücke dir meine Daumen für den Vater deines Sohnes. Sein Selbsterhaltungstrieb hat Zündstoff bekommen :-).

Gruß LaWe
Sturmkrähe - 31. Aug, 06:42

Es gibt immer die Möglichkeit, einem Verstorbenen noch all das zu sagen was einem wichtig ist, selbst wenn er schon aus der Zwischenwelt gegangen ist, vielleicht solltest Du das noch nachholen? Auch wenn es schon lange her ist?

Vielleicht ist es möglich dass Dein Sohn seiner Oma doch ein wenig Zeit schenkt....

Regelmässig und mit der Auflage dass sie nicht an ihm zu mäkeln hat, seine Löcher nicht zu stopfen hat und ihn einfach so zu akzeptieren hat, wie er ist...

Im Gegenzug bleibt er z.B. zum Essen bei ihr, erzählt ihr von seinem Leben und sie hat dadurch wieder eine Verbindung zu ihm...

So wäre beiden geholfen, er kann mit dem Rest der Zeit machen was er will und sein schlechtes Gewissen wäre beruhigt, und sie hat nicht das Gefühl ihn verloren zu haben und beruhigt sich dadurch auch wieder...es gibt für alles eine Lösung, wenn alle ein wenig kompromissbereit sind...

Ich hoffe dass so etwas bei Euch möglich ist, es ist immer schade wenn ein so heftiger Befreiungsschlag notwendig ist und dann alle Brücken so abgebrochen sind, dass ein Wiederfinden nur schwer möglich ist...

lg,
Sturmkrähe

Lange-Weile - 31. Aug, 19:22

Kompetenzen

Hallo Sturmkrähe,

die Zwiesprache mit einem Verstorbenen. Daran dachte ich schon. So etwas gibt es in Familienaufstellungen zum Beispiel. Doch ich beführchte, in mir steckt noch eine unendliche Wut über den Verstorbenen. Im Hals stecken nur die Worte - Alkoholoismus - so ein sinnloser Tod - und von diesem Gedanken muß ich mich noch distanzieren.

Viele deiner Ratschläge hab ich im Umgang mit Oma schon einbezogen. Und noch sehr oft bedarf es einer Nachhilfe, wenn Oma sich wieder zu weit in das Leben ihres Enkel hängen will.

Doch ein entscheidender Schritt wurde getan, d.h. hat Oma gemeistert - Oma hat mich anerkannt, mich nach vielen Jahren akzeptiert. Ich glaube, das war der Hauptgrund für viele unserer Auseinandersetzungen. Meine Wertvorstellungen liegen auf anderen Schwerpunkten, als die von Oma. Aber sie findet sich nur ihn ihren Werten zurecht und daher machte ich als Mutter auf sie einen unkompetenten Eindruck.

Gruß LaWe

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