Samstag, 13. August 2011

abgehau´n

Lang ist es her, aber ich erinnere mich noch ganz dunkel daran. Im meinem Dorf erzählte man damals: ”Die Weidenbaums sich über Nacht verschwunden. Die sind abgehau´n.”. Weidenbaums hatten ein großes Bauerngehöft mitten im Dorf. Der Bauer gehörte zu denen, der  die größten Kartoffeln hatte. Er war eben ein reicher Bauer. Zumindest aus meiner Sicht der Kinderaugen. Ich erinnere mich an die  zarte eher zerbrechlich aussehende Frau Weidenbaum, die ihr Aussehen auch den Kindern gab. Auch sie waren verschwunden und ihr Patz in der Schule blieb von einem Tag zum anderen leer.

Was mit ihrem Besitz  wie Haus und Hof  und ihrem Vieh geschah, weiß ich nicht. Ich denke mal, das wurde unter der Dorfbevölkerung aufgeteilt oder gar geplündert. Später bezogen mehrere Familien das Haus. Sie waren keine echten Bauern, doch ihr Glück darin wollten sie versuchen.

Das geschah noch vor dem 13.August 1961. Damals wurden die Bauern verstärkt bedrängt, in die LPG einzutreten. Das war ein Zusammenschluss der Bauern, die ihren landwirtschaftlichen Besitz in die LPG einbrachten, um gemeinsam die Felder zu bestellen, bzw. das Vieh zu betreuen. Diese Gemeinschaft beschaffte sich Traktoren und baute große Ställe für das liebe Vieh. Die Bauern hatten wie die Werksarbeiter nun auch freie Tage und Urlaub. Für schwache Bauern willkommen, für reiche Bauern ein Horror.

Im Geschichtsunterricht wurde dieser Prozess der “freiwilligen” Enteignung der Bauern bis 1961 mit einen siegreichen Abschluss des Überganges vom Einzelbauern zur landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften erwähnt.

Das war nichts für Besitzernaturen und vor dieser Bedrängnis der Gesellschaft  planten sie ihren Ausstieg aus der Gesellschaft, in der sie nicht leben wollten und konnten.

Ich erlebte das als Kind und als Kind wundert man mich nur kurz und ging zur eigenen Tagesordnung über – Spaß und Spiel. So war es eben in der Zeit. Damals verschwanden ganze Familien über Nacht. Meist waren es  die reichen, alteingesessenen Bauern,  die  armen Bauern blieben und viele von ihnen hatte kaum oder wenig Ahnung von Landwirtschaft, sie waren auf die Gemeinschaft angewiesen.

Was aus der Familie Weidenbaum wurde, weiß ich nicht. Jedoch gehörten sie zu den Familien, die noch vor dem Mauerbau verschwanden. An die Nachricht des Mauerbaus erinnere ich mich gar nicht. Wahrscheinlich, weil er nicht vor meinen Augen entstand. Berlin und die Grenze zum Westen war weit weit weg und damit auch mein Interesse.

Aber dafür zeichnet sich der Sender “RIAS” wieder deutlich in meine Erinnerung ab – Radio im amerikanischen Sektor, Mit Pfeifen und Quietschen konnte man ihn über Kurzwelle auch im Osten hören. “In der Ostzone ist die Butter knapp” oder ähnliche Nachrichten führen die Hamsterkäufen der Ostbevölkerung und ein Versorgungsengpass wurde über den Sender auf den Weg gebracht. Selbst mit meiner noch kindlichen Natur fühlte ich mich davon angegriffen, denn Butter gab es doch zu genüge. Warum diese Lüge? Unbewusst nahm ich Partei.

Das alles ist lange her, mehr als 50 Jahre und die Nachtrichten sind zur Zeit voll davon. Die Geschichten der Flüchtlinge erleben das Tageslicht und werden nun entsprechend gewürdigt.

Sicher hätte ich nie zu denen gehört, die die Heimat verlassen hätten. Das kann damit zu tun haben, dass ich keine Besitzernatur war und bin und mich in der Gemeinschaft wohl fühle. Ich gehörte eher zu den Schwachen, die aus vielerlei Gründen die Unterstützung und Anerkennung der Gemeinschaft brauchte. Nur in ihrem Rahmen konnte ich mich entwickeln  und entfalten. Die positive Rückmeldung der Gemeinschaft hatte mich in meine Entwicklung warm eingebettet. Damit meine ich nicht die Gesellschaft mit ihren Machtstrukturen, sondern die Kollegen in den damals sozialistischen Betreiben.

Die negative Machtstruktur erlebet ich auch, doch darüber später ein paar Worte.

Ja..ich war damals jung und brauchte die Gemeinschaft, um mich zu entwickeln und Fuß im Leben zu fassen.

Darin liegt für mich ein großer Makel in der Gesellschaft heut, die kaum eine Gemeinschaft möglich macht.

Eine Gemeinschaft nach der Wende fand ich nicht mehr und wurde zum Einzelkämpfer. 90 % meiner Gedanken drehen sich um´s liebe Geld. Möglichst ausreichend Einnahmen erreichen und möglichst wenig ausgeben.

Rechnungen zu bezahlen um nicht zu verschulden, dass ist zu meinem Lebensinhalt geworden.

In der Neubausiedlung, in der ich schon mehr als 20 Jahre lebe, finde ich erstaunlicher Weise fast nur Losungen mit solchen Inhalten:

Die Bemalung stammt sicher von jungen Menschen und ich frage mich, was sie dazu bewegt.

Ist es ihre Zukunftsangst, sind es die fehlenden Perspektiven in der Gesellschaft?

Eins ist klar, ein Polster, wie ich es kannte, hat die Jungend heute nicht. Sie driften zum Teil im Niemandsland und einige von Ihnen landen in Gewaltausbrüche.

Sie können nicht abhau´n – es gibt keine Alternativen mehr, oder doch ?

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